Friday, May 18, 2012

Misericórdia - Erbarme dich unser!

Dieses Vokabel hab ich heute mal wieder den ganzen Tag gehört. Hier im religiösen brasilianischen Hinterland findet es allenthalben Anwendung aber an einem Tag wie heute natürlich umso mehr.   *crazy day*

Am Vormittag hab ich Bekanntschaft mit einem der enorm vielen Youngsters gemacht, die in Drogengeschäfte involviert sind. Naja, sympatisch war mir der Typ zwar nicht aber quatschen muss ich trotzdem mit jedem, is ja mein Job. Als ich mal kurz was holen geh kommt schon eine meiner Kolleginnen gelaufen: "Pass auf, geh ja nicht mit dem mit - drogado!!" Mamma Mia ;)
Drogado - MISERICÓRDIA!!!

Merkwürdig, erst gestern hab ich mir den Film "Vida Loka" angeschaut, indem es genau um diese Problematik in Cachoeira, dem Städtchen am anderen Flussufer geht.
Laut meinen Kollegen und Bekannten sind vor allem die Unis Drogenumschlagplatz Nummer Eins und generell ist jede und jeder auch noch so normal aussehende/r Einwohner ein potenzieller Drogado. Characterveränderung, Wahnvorstellungen, Psychosen, etc. sind Begleiterscheinungen des Konsums. Und da hier in Brasilien wie immer sehr viel Gewalt im Spiel ist, ist der Umgang mit Drogados tunlichst zu vermeiden! Nach diesem Schreck sieht man natürlich in jedem dahergelaufenen Sanfelista einen Drogado *aaargh*

Naja gut - zum Glück wird nix so heiß gegessen wie gekocht, nichtmal Cracksteinchen ;)


Am Nachmittag kommen wir von obiger Diskussion über den Teufelskreis von dem in Bahia ständig die Rede ist zu sprechen - Korruption, schlechte Infrastruktur und noch schlechtere Gesundheitsvorsorge, außerdem keine gscheite Schulbildung, daher Misere und darum Drogen...
Misericórdia!

Das Schulsystem ist einfach unglaublich schwach hier im ländlichen Brasilien. Die Schüler lernen nicht weil es den meisten Lehrern egal ist, es gibt angeblich nicht so viele verschiedene Prüfungen, etc. Sitzenbleiben kann man sowieso nicht und generell gibt es keine Konsequenzen. Es gibt viel weniger verschiedene Fächer als bei uns. Englisch zB wird zwar unterrichtet aber die Leute können es trotzdem praktisch überhaupt nicht sprechen und verstehen es auch nicht. Englisch kann nur, wer teure Privatstunden nimmt. Auch viele andere Unterrichtsfächer die bei uns in Mitteleuropa angeboten werden gibt es hier in Bahia einfach nicht. Das Allgemeinwissen leidet da natürlich sehr darunter und während ich früher öfter dachte, die Leute tun mir was zfleiss oder wollen mich veräppeln, komm ich mehr und mehr drauf, dass sie es tatsächlich einfach nicht wissen, noch nie davon gehört haben und es daher einfach nicht verstehen können.
Meine Kollegin erzählt, dass sie nie in ihrem Leben Physikstunden hatte und der Geografieunterricht genau nur Bahia umfasste ... wobei sie da aber auch gedacht habe, dass Lençois im Nationalpark Chapada Diamantina am Meer liege. Jaja, mit den Geografiekenntnissen ist das sowieso so eine Sache: gestern hat mich eine Kollegin gefragt ob ich im August mit dem Bus zurück nach Europa fahren werde!!! Nein, im Ernst? Da bleibt einem doch nur mehr der Mund offen stehen...
Misericórdia!!

Übrigens, die Lehrer der öffentlichen Schulen streiken bereits seit 2 Monaten (!) ... das bedeutet, dass die Schüler tatsächlich seit 2 Monaten keinen Unterricht mehr haben - und niemanden scheint das zu kümmern. Hauptgesprächsthema ist es jedenfalls nicht ... nichtmal Gesprächsthema!
MISERICÓRDIA!!!

Apropos Streik ... seit ein paar Tagen sind die Busfahrer in ganz Salvador und Umgebung am Streiken ... *misericórdia*

Später starten die Mädels allerings ein gscheites Gesprächsthema... zumindest ein unterhaltsameres und vor allem amüsantes Pläuschchen: es geht um das Sexleben der Baianos :) 
...hot - hotter - Brazil ... every day, all day !!

Misericórdia ;-)

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